Im März 2020 nahm die Chorarbeit in der Gemeinde Rüsselsheim, wie in vielen Kirchengemeinden Europas, wegen der schnellen Ausbreitung des Corona-Virus ein plötzliches Ende. Jetzt, über 800 Tage nach der letzten Probe und dem letzten Einsatz im Gottesdienst, fand ein Neustart statt. Am Sonntagnachmittag (22.05.2022) trafen sich die Sängerinnen und Sänger zu einem ersten gemeinsamen Singen in Rüsselsheim.
Chormusik gehört schon seit über 100 Jahren zur Tradition neuapostolischer Gottesdienste. In der Anfangszeit fanden sich in der Chorliteratur katholische-apostolische Gesänge, protestantischer Choral und romantische Chorliteratur genauso wie mit geistlichen Texten unterlegte Volkslieder, dem Gesangsvereinswesen entliehene Lieder und Erweckungslieder („Der Chor ist eine Frucht am Gemeindebaum“ - Stammapostel J. G. Bischoff, Leiter der Neuapostolischen Kirche von 1930 bis 1960).
In den allermeisten Gemeinden der Neuapostolischen Kirche werden auch heute die Gottesdienste durch Chöre oder kleinere Ensembles bereichert. Die Chorbeiträge sind fester Bestandteil der Liturgie. Alternativ übernehmen Instrumentalmusik oder Gemeindegesang diese Abschnitte im Gottesdienstablauf. Basis der Chorarbeit in den deutschsprachigen neuapostolischen Gemeinden ist das Chorbuch von 2013, das eine Mischung „traditioneller neuapostolischer Lieder“, allgemeiner Kirchenmusik und neue Werke umfasst und sowohl die Liturgie, das Kirchenjahr wie auch andere kirchliche Anlässe abdeckt. Darüber hinaus stehen weitere Liedersammlungen mit besonderen Schwerpunkten und Ensemblegrößen zur Verfügung („Musik im Gottesdienst hat die Aufgabe, Gott zu loben und zu ehren“ - Katechismus der NAK, S. 424).
Einschränkungen durch Corona
Als im März 2020 die Präsenzgottesdienste zunächst vollständig eingestellt und anschließend, abhängig vom Infektionsgeschehen nur unter umfangreichen Hygienevorschriften wieder stattfinden konnten, war an Chormusik nicht zu denken. Auch auf die Chorproben wurde verzichtet, da die Ansteckungsgefahr bei gemeinsamem Singen in geschlossenen Räumen besonders hoch ist. In der Gemeinde in Rüsselsheim wurden in allen Gottesdiensten seitdem die entstandenen Lücken durch Klavierbeiträge, zum Teil ergänzt durch Streicher, geschlossen. Zum Großteil fanden diese in Anlehnung an die Chormusik statt, da den Zuhörern die Melodien vertraut und die Texte – mehr oder weniger – bekannt waren.
In dieser Zeit hatte die Gemeinde gelernt, dass Chormusik weder selbstverständlich noch ohne Alternativen ist. So stellte sich die Frage, wie es nun bei fallenden Inzidenzzahlen und im Wesentlichen entfallenen Schutzverordnungen weitergehen soll.
Ein Neustart
Am Sonntag, 22. Mai 2022, waren alle an der Chorarbeit Interessierten eingeladen. Um 17 Uhr hatten sich 17 Aktive in der Kirche in Rüsselsheim eingefunden. Weitere Gemeindemitglieder hatten mitgeteilt, dass sie gerne an der aktiven Arbeit im Chor wieder teilnehmen würden, aber beim Neustart verhindert seien. Um die Stimme nicht gleich zu überlasten, war ein behutsames Einsingen wichtig. Im Anschluss wurde dann eine bunte Mischung von Liedern, zum Teil von den anwesenden Sängerinnen und Sängern vorgeschlagen, angestimmt. Es zeigte sich, dass langjährige Übung auch eine zweijährige Pause gut übersteht. Zugegeben, der eine oder andere Ton war etwas unsicher und der Atem etwas kürzer als gewohnt, aber letztlich machte es einfach Freude, wieder gemeinsam zur Ehre Gottes zu musizieren.
Mit dem Gemeindevorsteher Hirte Friedbert Treber und dem Leiter des Streicherensembles war im Vorfeld besprochen worden, dass der Chor zunächst vierzehntägig am Sonntag zum Einsatz kommen solle. Gemeinsam mit den Anwesenden wurden verschiedene Möglichkeiten des längerfristigen Einsatzes, der Chorentwicklung und der Probentermine angesprochen, ohne darüber letztendlich zu entscheiden.
Gemeinsamer Ausklang
Nach dem Singen standen im Kirchenhof Würstchen, Fingerfood und Getränke bereit. So bot sich noch die Gelegenheit zum Gedankenaustausch. Ein gelungener Neustart!
Autor: Tobias Hempel